Achtung! Triggerwarnung - oder das Recht auf ein klares "Nein" und Selbstfürsorge
- Heike Kruppa

- 8. Apr.
- 3 Min. Lesezeit

Trigger. Kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren so eine steile Karriere hingelegt. Dieser Begriff ist mittlerweile so aufgebläht, wie ein prall gefüllter Luftballon kurz vor dem Platzen.
Früher ein klarer Hinweis auf psychische Belastungen oder traumatische Erfahrungen, wird er heute inflationär verwendet – vor allem dann, wenn Menschen einfach nur… menschlich reagieren.
Ich erlebe es immer wieder – beruflich wie privat: Da äußert jemand klar und ruhig, dass ein Verhalten nicht in Ordnung war, dass eine Grenze überschritten wurde. Und was kommt? Ein fast schon automatisiertes: „Na, wenn dich das so triggert, dann darfst du da wohl noch mal hinschauen.“
Ach so? Muss ich?
Gut getarnt im Mäntelchen der Achtsamkeit und Selbstverantwortung. Ist aber oft einfach eine schicke Verpackung für Schuldumkehr.
Triggern ist nicht gleich „dein Thema“ – manchmal ist es einfach grenzüberschreitend
Wildes Konzept – vielleicht war das Verhalten einfach nur übergriffig, respektlos oder grenzverletzend. Vielleicht bin ich gar nicht „getriggert“ im Sinne von: Ich reagiere irrational, weil alte Wunden aufreißen. Vielleicht reagiere ich einfach ganz gesund auf etwas, das nicht in Ordnung war.
Als Gesundheits- und Mental Coach und Fitnesstrainerin bin ich absolut dafür, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen. Dass wir hinschauen, reflektieren, Verantwortung übernehmen.
Aber – und das ist ein großes, fettes ABER – nicht jede Reaktion ist ein Zeichen mangelnder innerer Arbeit.
Und ja – es gibt Trigger. Es gibt Situationen, in denen alte Wunden anspringen wie schlecht trainierte Reflexe. Aber nicht jedes innere Unwohlsein ist ein Trauma-Relikt, das aufgelöst werden will.
Wenn mich jemand respektlos behandelt, meine Werte ignoriert oder mir über den Mund fährt, dann darf ich sagen: „Nein. Stopp. So nicht.“ Und zwar ohne mich anschließend zu fragen, ob ich wohl „noch was zu heilen habe“.
Diese Haltung, alles als Trigger zu deklarieren, führt schnell zu einer gefährlichen Dynamik: Plötzlich ist das Gegenüber nicht mehr verantwortlich für sein Verhalten – sondern ich bin „einfach zu empfindlich“. Ich „müsste nur an mir arbeiten“. Ich „wäre schon weiter, wenn mich das nicht aufregen würde“.
Aber ehrlich? Manchmal ist es einfach nur ganz normal, sich über grenzüberschreitendes Verhalten zu ärgern. Manchmal ist gesunder Ärger kein Zeichen für ein ungelöstes Trauma – sondern ein Signal deiner Intuition, dass hier etwas nicht stimmt.
Mir fällt auf, dass der Begriff „Trigger“ immer häufiger dazu verwendet wird, um Verantwortung umzuleiten. Frei nach dem Motto:„Wenn du reagierst, dann liegt das Problem bei dir.“Aber sorry – das ist keine Selbstverantwortung, das ist Victim Blaming im Coaching-Gewand.
Grenzen setzen ist keine Schwäche – es ist Selbstfürsorge
Ich wünsche mir mehr Differenzierung im Umgang mit dem Trigger-Begriff. Ja, es gibt Trigger, die aus früheren Verletzungen stammen. Aber es gibt auch ganz reale Situationen im Hier und Jetzt, in denen Menschen einfach schlecht miteinander umgehen.
Und dann braucht es kein Schattenarbeit-Protokoll, keine Chakren-Reinigung und keinen Drei-Schritte-Emotions-Flow. Dann braucht es einfach ein: „Ich möchte nicht, dass du so mit mir sprichst oder umgehst.“ Oder ein leises, konsequentes Gehen.
Grenzen zu setzen ist keine Unreife. Es ist Stärke. Es ist Selbstschutz.
Und vor allem: Es ist dein gutes Recht.
Gerade im Zwischenmenschlichen braucht es Differenzierung: Wenn jemand meine Werte mit Füßen tritt, mich nicht achtet, über meine Grenzen trampelt – dann ist das keine Einladung zur inneren Arbeit, sondern ein Fall für ein deutliches „Nein“.
Ich glaube daran, dass persönliche Weiterentwicklung wichtig ist. Ich glaube auch daran, dass wir alle innere Themen haben, die uns manchmal auf Dinge besonders sensibel reagieren lassen. Aber ich glaube nicht daran, dass ich mich durchtherapieren muss, um mir Respekt zu verdienen. Und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, wenn ich Klartext rede, Grenzen setze und Menschen aus meinem Leben entferne, die mir nicht guttun.
Kurz gesagt: Nicht jeder Impuls ist ein Trigger.
Nicht jede Reaktion ist ein Zeichen von Unreife.
Und nicht jede Grenze ist ein Mangel an innerer Arbeit.
Manchmal ist es einfach Selbstfürsorge.
Zum Schluss: Für mehr Klarheit statt spirituellem Gaslighting
Wir dürfen sensibel sein. Wir dürfen reagieren. Wir dürfen „Nein“ sagen, auch wenn das Gegenüber das vielleicht unbequem findet. Und wir dürfen es leid sein, ständig unsere Reaktionen erklären oder rechtfertigen zu müssen.
Lasst uns verantwortungsvoller mit dem Trigger-Begriff umgehen. Nicht jede Reaktion ist ein Spiegel. Manchmal ist es einfach eine klare Antwort auf ein klares Fehlverhalten.
Und die dürfen wir geben. Laut oder leise – aber immer klar.
Hast du auch schon mal erlebt, dass dein klares „Nein“ als persönliches Defizit ausgelegt wurde? Schreib’s mir gern in die Kommentare – ich freue mich auf Austausch, ehrliche Geschichten und vielleicht ein kleines bisschen gemeinsames Aufräumen im Trigger-Chaos.


Kommentare